30.10.2016
unwrap the present in october: Pascale Grau, Catherine Germanier, Rolf Schulz, Joëlle Valterio
Atelier 210, PROGR, Bern
Pascale zeigt Bilder – Fotos einer Serie. Sie könnten alle aus dem gleichen Haus stammen. Ältlich. Ohne Möblierung nüchtern. Mal mit Tapete, mal mit Teppich, mal kariert, dann gestreift und wieder uni – vergilbt. Und sie erzählt, wie sie durch die Räume schreitet, schweift, schwebt, schlurft, schwimmt, schwankt. Mal geht es links, dann hinauf, da fehlt eine Wand und gibt den Blick nach draussen frei, dann ein Raum niedrig, muffig gefolgt von einem mit hohenWänden. Tannen hängen kopfüber von der Decke. Die Schritte sind zaghaft. Da fällt eine nach der andern von oben herab, berstend, wuchtig, versperren den Weg – aber nur fast. Nach oben bleibt er offen.
Peter Aerni nach der Performance von Pascale Grau
Catherine steht, atmet, horcht innen, lauscht aussen. Langsame Rhythmen. Weiche Gelenke, klare Regungen. Die Arme suchen Wege, schöpfen, sinken, drehen sich, dehnen den Raum. Manchmal, um besser nach vorne zu sehen, verlagere ich meinen Oberkörper. Und das Knirschen des Stuhls ist laut. Und mein Blick doch noch verstellt. Der Haarschopf der Frau vor mir verdeckt Catherines Körper. Wie ein Kostüm sehen diese geraden Haare aus, oben ragen von Catherine der Hals und der Kopf heraus, links und rechts Arme und Hände. Puppenhaft. Der Körper ein riesiger Haarschopf. Ernsthaft. Ich muss lachen. Der Stuhl knirscht. Der Atem füllt den Raum. Der Applaus bricht mit der Stille.
Peter Aerni nach der Performance von Catherine Germanier
Rolf und Joëlle richten ein. Pragmatisch holen sie die rote Sitzgelegenheit (weder Bank noch Sofa), zwei Lampen, eine blaue Ikeatasche, darin ein Radio, zwei kleine Plastictüten mit trockenen Laubblättern und eine grosse Spule Garn oder Schnur. Sie beginnen , wir sind mitten drin, schnell gefangen in der Handlung, die sich logisch entwickelt und deren Inhalt sich uns doch entzieht. Fragmente, Szenen, erfüllte Erwartungen, Abstürze, Leere. Rolfs Kopf liegt plötzlich wie aufgespiesst im Kreuzfuss des am Boden liegenden Ventilators. Heftig, brutal, nackt. Und voll ausgeleuchtet. Aber Joëlle ruft dazwischen, will etwas anfügen, ein gutes Ende finden. Und als ob das Laub, das Rolf vorher auf sie geschüttet hat, nicht genug gewesen wäre, nimmt sie diese rote Sitzbank und wirft sich nieder, die Bank obenauf. Erdrückt, erstickt, erhängt erstochen. Es reicht grad noch für die letzte Anweisung ans Publikum: Licht aus.
Peter Aerni nach der Performance von Rolf Schulz und Joëlle Valterio
Mit unwrap the present lädt Joëlle Valterio jeden Monat in den Werkstattraum des PROGR ein.
Kunstbulletin 9/2015